Sonntag, 15. März 2009
Eine bittere Erkenntnis
Seit einiger Zeit versuche ich, mir immer morgens nach dem Frühstück eine Weile Zeit zu nehmen um mich mit mir und meiner Esssucht auseinanderzusetzen. Ich denke nämlich, dass ich ich so eine Art Ritual brauche, um mich überhaupt mit dieser doch eher etwas unschönen Sache zu beschäftigen.
Gestern ist mir während dieser Zeit aufgefallen, dass ich tatsächlich nicht nur seit langen Jahren so tue, als gäbe es mein Essproblem nicht, sondern dass ich mich selbst ein Stück weit aufgegeben habe. Nach einigen Versuchen, mein Gewicht mit Diät oder Sport in den Griff zu bekommen (die sich jeweils ziemlich schnell im Sande verliefen), habe ich vor vielleicht zwei Jahren einfach resigniert. Ich versuche, alle Anzeichen meiner immer schlimmer werdenden Krankheit zu ignorieren und lebe einfach so weiter wie bisher. Im Endeffekt heißt das, dass ich meinem Leben dabei zusehe, wie es immer weiter den Bach herunter geht aber wie gelähmt bin, etwas dagegen zu unternehmen. Vielleicht bin ich auch einfach nur bequem. Ich weiß ganz ehrlich nicht, was mich reitet wie ein hypnotisiertes Kaninchen nur in die Scheinwerfer des entgegenkommenden Lkw zu starren. Ich sitze da, sehe (durch meine morgendliche Reflektion) was geschieht und tue - nichts.
Ein Beispiel: Mein langjähriger und über alles geliebter Partner hat sich schon mehrfach darüber beschwert, dass unser Sexualleben eigentlich nicht mehr existent ist. Wir schlafen etwa ein- bis zweimal im Monat miteinander und wenn wir das tun, ist es wenig aufregend. Das liegt vor allem daran, dass ich eigentlich kaum ein Bedürfnis nach Sex verspüre und nur sehr selten Initiative zeige. Vermutlich liegt meine mangelnde Leidenschaft an meinem Verhältnis zu mir und meinem Körper - alles Körperliche ist für mich seit einigen Jahren eigentlich nur mit Frustration verbunden. Ich werde immer fetter, ich fühle mich nicht sexy und wenn er beim Sex meinen Bauch berührt denke ich bei mir "Oh Gott, wie eklig muss sich das jetzt für ihn anfühlen?" oder "Ich an seiner Stelle würde mir meine Oberschenkel nicht ansehen wollen". Ich kann nur selten geistig wirklich entspannen und mich ganz der Lust hingeben - die körperliche Komponente unserer Beziehung würde ich gern ausblenden. Ich weiß aber sehr genau, dass er unter der Situation leidet und ich habe wahnsinnige Angst davor, dass er seine Bedürfnisse eines schönen Tages anderswo ausleben wird, ja geradezu muss, weil unsere Lage so verfahren ist. Ich weiß nicht, was ich tun würde wenn ich sowas rausfände aber ich ahne, dass ich das nicht aushalten könnte.
Da ist also dieser Mann, den ich noch immer sehr anziehend finde, den ich sehr liebe und dem ich trotzdem einfach nicht das gebe von dem ich weiß, dass er es braucht. Ich lebe einfach weiter, schiebe das Bewusstsein für diese Dinge weg von mir und fresse, wenn mir danach ist. Ehrlich betrachtet heißt das, dass ich mich aufgegeben habe. Ich habe eigentlich schon längst kapituliert, halte aber noch immer an dieser Lebensweise fest und bin nicht wirklich bereit, mich zu ändern. Vielleicht, weil das hieße, all diese Dinge aushalten und lösen zu müssen und vielleicht auch, daran zu scheitern.

Eine bittere Erkenntnis.

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