Freitag, 20. März 2009
Verantwortung
Ich hatte bereits in einem früheren Beitrag geschrieben, dass ich gern so tue, als hätte ich kein Problem und dass ich mein Leben einfach so weiter laufen lasse, ohne mich wirklich zu kümmern. In einem Gespräch gerade eben ist mir dann auch endlich aufgegangen, weshalb ich das tue: Ich laufe vor der Verwantwortung mir selbst gegenüber weg. Ich kann für jeden Verantwortung übernehmen, reiße in jeder Gruppenarbeit die Rolle des Teamleiters an mich und kümmere mich um die Organisation von anderer Leute Leben. Aber für mich?
Wie ich eigentlich bereits letzten Dienstag in einem OA-Meeting erkannt habe, hätte ich gern jemanden, der mich an der Hand nimmt und mit mir diesen Weg geht und den ich beschuldigen kann, wenn wir uns verlaufen. In eben diesem Meeting habe ich außerdem festgestellt, dass ich das eigentlich selbst sein muss. Der Erwachsene in mir muss das Kind in mir an die Hand nehmen und es führen. Erst heute morgen jedoch ist wirklich zu mir durchgesickert, dass mein Erwachsener ganz schön mickrig und in die Ecke gedrängt, während mein Kind ein wahrer Riese ist.
Im Schritt eins des OA-Genesungsprogramms steht: "Erst als wir anfingen zu genesen, sahen wir die kindische Selbstbezogenheit unseres eigenwilligen Handelns." Ich habe diesen Satz nie auf mich bezogen, denn ich bin eine rationale und pragmatische Frau. Trotzdem, so muss ich feststellen, weigere ich mich, mich mir selbst gegenüber erwachsen zu verhalten und halte an meinem Lebenswandel fest obwohl er so viel Unheil anrichtet. Faszinierend, welche Abgründe sich immer wieder in mir auftun und noch viel faszinierender, wie langsam diese Erkenntnisse über mich selbst auch wirklich zu mir durchdringen, wie spät ich sie emotional begreife. OA sagt dazu (ebenfalls in Schritt eins): "Ein ehrliches Betrachten unserer Erfahrungen hat uns davon überzeugt, dass wir unser Leben nicht allein durch Eigenwillen bewältigen können. Zuerst erfassen wir dieses Wissen verstandesmäßig und dann glauben wir es schließlich auch in unserem Herzen. Wenn das geschieht, haben wir Schritt eins vollzogen." In meinem Fall scheint die Lücke zwischen "verstandesmäßig" und "im Herzen" wohl besonders groß zu sein...

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Sonntag, 15. März 2009
Eine bittere Erkenntnis
Seit einiger Zeit versuche ich, mir immer morgens nach dem Frühstück eine Weile Zeit zu nehmen um mich mit mir und meiner Esssucht auseinanderzusetzen. Ich denke nämlich, dass ich ich so eine Art Ritual brauche, um mich überhaupt mit dieser doch eher etwas unschönen Sache zu beschäftigen.
Gestern ist mir während dieser Zeit aufgefallen, dass ich tatsächlich nicht nur seit langen Jahren so tue, als gäbe es mein Essproblem nicht, sondern dass ich mich selbst ein Stück weit aufgegeben habe. Nach einigen Versuchen, mein Gewicht mit Diät oder Sport in den Griff zu bekommen (die sich jeweils ziemlich schnell im Sande verliefen), habe ich vor vielleicht zwei Jahren einfach resigniert. Ich versuche, alle Anzeichen meiner immer schlimmer werdenden Krankheit zu ignorieren und lebe einfach so weiter wie bisher. Im Endeffekt heißt das, dass ich meinem Leben dabei zusehe, wie es immer weiter den Bach herunter geht aber wie gelähmt bin, etwas dagegen zu unternehmen. Vielleicht bin ich auch einfach nur bequem. Ich weiß ganz ehrlich nicht, was mich reitet wie ein hypnotisiertes Kaninchen nur in die Scheinwerfer des entgegenkommenden Lkw zu starren. Ich sitze da, sehe (durch meine morgendliche Reflektion) was geschieht und tue - nichts.
Ein Beispiel: Mein langjähriger und über alles geliebter Partner hat sich schon mehrfach darüber beschwert, dass unser Sexualleben eigentlich nicht mehr existent ist. Wir schlafen etwa ein- bis zweimal im Monat miteinander und wenn wir das tun, ist es wenig aufregend. Das liegt vor allem daran, dass ich eigentlich kaum ein Bedürfnis nach Sex verspüre und nur sehr selten Initiative zeige. Vermutlich liegt meine mangelnde Leidenschaft an meinem Verhältnis zu mir und meinem Körper - alles Körperliche ist für mich seit einigen Jahren eigentlich nur mit Frustration verbunden. Ich werde immer fetter, ich fühle mich nicht sexy und wenn er beim Sex meinen Bauch berührt denke ich bei mir "Oh Gott, wie eklig muss sich das jetzt für ihn anfühlen?" oder "Ich an seiner Stelle würde mir meine Oberschenkel nicht ansehen wollen". Ich kann nur selten geistig wirklich entspannen und mich ganz der Lust hingeben - die körperliche Komponente unserer Beziehung würde ich gern ausblenden. Ich weiß aber sehr genau, dass er unter der Situation leidet und ich habe wahnsinnige Angst davor, dass er seine Bedürfnisse eines schönen Tages anderswo ausleben wird, ja geradezu muss, weil unsere Lage so verfahren ist. Ich weiß nicht, was ich tun würde wenn ich sowas rausfände aber ich ahne, dass ich das nicht aushalten könnte.
Da ist also dieser Mann, den ich noch immer sehr anziehend finde, den ich sehr liebe und dem ich trotzdem einfach nicht das gebe von dem ich weiß, dass er es braucht. Ich lebe einfach weiter, schiebe das Bewusstsein für diese Dinge weg von mir und fresse, wenn mir danach ist. Ehrlich betrachtet heißt das, dass ich mich aufgegeben habe. Ich habe eigentlich schon längst kapituliert, halte aber noch immer an dieser Lebensweise fest und bin nicht wirklich bereit, mich zu ändern. Vielleicht, weil das hieße, all diese Dinge aushalten und lösen zu müssen und vielleicht auch, daran zu scheitern.

Eine bittere Erkenntnis.

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Mittwoch, 11. März 2009
Menschlichkeit
Gerade eben bin ich, während ich mich nachrichtentechnisch auf den aktuellen Stand gebracht habe, über ein Video von PeTA gestolpert. Ich glaube, ich habe in meinem ganzen Leben noch nichts so Schreckliches gesehen: Ein Waschbär der noch zappelt, schreit und sich wehrt wird bei lebendigem Leib (!!!) gehäutet und was von ihm übrig ist, wird auf einen Haufen mit anderen sterbenden Tieren geworfen. Er hat noch genug Lebensenergie um, nackt und blutend wie er ist, längere Zeit mit seinen langen Wimpern in die Kamera zu sehen. Er blinzelt, bewegt sich und atmet gequält - eine furchtbare Karikatur dessen, was er einmal war... Dieser Ausdruck in den Augen des armen Kleinen - es bringt mich noch immer zum Weinen, wenn ich darüber nachdenke... Wer sich selbst für stark genug hält, kann es sich auf dieser Seite selbst ansehen: http://www.peta.org/feat/ChineseFurFarms/index.asp

Manchmal kann ich einfach nicht glauben, zu welch namenloser Quälerei Menschen in der Lage sind. Das Böse scheint irgendwie im Wesen des Menschen zu liegen und ich frage mich ganz ehrlich, ob die Leute die dafür verantwortlich sind einen Gott anbeten - und wenn ja, welchen. Wer in aller Welt der irgendein Gefühl dafür hat, was gut und gerecht ist, wer, der irgendein anderes Wesen liebt kann sowas tun?

Eine interessante These zum Thema Liebe besagt, dass man nur dann anderen Liebe und Respekt entgegenbringen kann, wenn man das auch sich selbst gegenüber tut - das weiß selbst ich noch aus der Bibel: "Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst". Ich persönlich glaube, dass das stimmt. Vielleicht heißt das für die Arbeiter auf dieser Pelzfarm, dass sie zu sich selbst so gleichgültig sind wie den Tieren gegenüber. Wahrscheinlich müssen sie das, um nachts überhaupt noch schlafen zu können. Und vielleicht ist es das, was Menschlichkeit ausmacht. Hinsehen und handeln. Viele Leute sehen ganz bewusst nicht hin und im Grunde braucht es gar kein so fürchterliches Szenario um zu merken, dass es Aufmerksamkeit braucht, sich selbst und andere gut zu behandeln. Es ist so viel einfacher, die Augen zu verschließen und so zu tun, als gäbe es kein Problem.

Natürlich kann man nicht allein die Welt retten aber ich denke es ist realistisch, sie ein bisschen besser zu machen. Und wir, die wir das ein oder andere Problem mit uns selbst haben sollten wohl parallel dazu, allen anderen helfen zu wollen auch mal bei uns selbst anfangen. Mir fällt es z.B. noch immer schwer, mir Schwäche zuzugestehen oder zuzugeben, dass ich etwas nicht kann. Lieber als mich mit meinen eigenen Schwierigkeiten zu beschäftigen, löse ich Probleme anderer - wie gerade jetzt indem ich mir den Horror von Pelzfarmen ansehe und darüber grübele. Das ist zwar gut und wichtig aber es erlaubt mir auch, meine für heute dringend zu erledigenden Aufgaben noch ein bisschen aufzuschieben. Ich wende mich zu einer anderen Seite, um nicht hinsehen zu müssen - und auch das ist menschlich.

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